Projekt: Wir erzeugen unseren eigenen Infraschall
Ein Beitrag von Lukas Frotscher, L.F.N.-Team Freiburg, Mitglied im Arbeitskreis NA 001-01-02-11 AK “Überarbeitung von DIN 45680” des DIN/VDI-Normenausschuss Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik (NALS).
Nachdem derzeit sehr viel über Infraschall, also Schall unterhalb der menschlichen Hörschwelle von 16 Hz, diskutiert wird, hatten wir im Messteam die Überlegung, dass wir ihn selbst erzeugen wollten, um nicht mehr nur darüber zu lesen, sondern ihn selbst erfahren zu können.
Doch wie erzeugt man einen so tiefen Ton, denn herkömmliche Beschallungsanlagen können keine Frequenzen in diesem Bereich abspielen?
Die Antwort lieferte mein befreundeter Tontechniker Sebastian Duis. Wenn man nämlich den ganzen Raum, in dem man sich befindet, zum Lautsprecher selbst macht, dann lassen sich auch Infraschall-Signale erzeugen. Dies gelingt, indem man ein Fenster ausbaut, eine Holzplatte hineinmontiert, dort ein Loch hineinsägt und in dem Loch den Treiber montiert. Diese Bauweise nennt man „Infinite Baffle“.
Mithilfe der richtigen Endstufe sowie einem Sinus-Frequenzgenerator lassen sich dann endlich auch Töne unterhalb von 16 Hz erzeugen. Wir haben verschiedene Frequenzen getestet, wobei 5 Hz die tiefste Frequenz war, die auf unserem Messgerät Svantec 977 (Klasse 1, kalibriert) noch eindeutige Ergebnisse geliefert hat. Darum haben wir uns für das folgende Experiment für die 5 Hz als Testton entschieden.
Empfehlung:
„Subjektive und objektive Schallwahrnehmung und wie sie funktioniert“
Experiment
Wahrnehmungsschwelle von Infraschall:
Das an dem Lautsprecher anliegende Signal bestand aus einer Schwingung von exakt 5 Hz, vermeintlich ohne jegliche Obertöne. Allerdings konnten wir auf unserem Messgerät feststellen, dass auch die Obertöne von 5 Hz (ganzzahlig Vielfache von 5 Hz, also: n ´ 5 Hz) erzeugt worden sind.
Woran liegt das? Nachdem der Treiber die Holzplatte mit 5 Hz in Schwingung versetzt, erzeugt diese dann die Obertöne (vgl. das Schwingen einer Saite). Obwohl wir das nicht vorgesehen hatten, war dies zu erwarten gewesen, da es bei der oben abgebildeten Konstruktion sehr schwer ist, die Holzplatte gänzlich fest zu montieren, sodass sie nicht mitschwingt. Erst dachten wir, dass dies ein Problem für unser Experiment darstelle, aber dann fiel uns auf, dass es sogar einen Vorteil bedeutet, da reine Sinustöne in der Natur äußerst selten vorkommen und unser Experiment folglichsogar realistischer wurde.
Bei den typischen Experimenten der Wahrnehmungspsychologie zur Bemessung der Wahrnehmungsschwelle von Tönen werden immer Sinustöne verwendet (https://tieffrequenter-schall-unbekannter-herkunft.de/subjektive-und-objektive-schallwahrnehmung-und-wie-sie-funktioniert: Versuchsaufbau). Allerdings bleibt dann die Frage, ob diese Werte auch im alltäglichen Leben gelten, da reine Sinustöne nur sehr selten im Alltag entstehen. Wahrnehmungsprozesse sind daher häufig in ihrer Ausrichtung komplexer bezogen auf die Fähigkeit, Strukturen und Ordnungsprinzipien in Sinneseindrücken auszumachen(https://de.wikipedia.org/wiki/Gestaltpsychologie#:~:text=als%20F%C3%A4higkeit%20beschreibt%2C%20Strukturen%20und%20Ordnungsprinzipien%20in%20Sinneseindr%C3%BCcken%20auszumachen.).
Dadurch sieht unser Versuchsaufbau nun wie folgt aus:
Das real entstandene Signal, welches uns als Stimulus dient, besteht aus den Frequenzen 5 Hz – 10 Hz – 15 Hz – 20 Hz – etc., wobei die Grundfrequenz von 5 Hz immer am lautesten ist und die Obertöne bei zunehmender Hertz-Anzahl dann sukzessive leiser werden. Außerdem hat sicherlich das ganze Haus mitgeschwungen, wodurch sehr leise Klirrgeräusche etc. entstanden sind.
Um eine noch realistischere Begebenheit zu simulieren, sind wir ein Stockwerk tiefer gegangen, da oft der Infraschall aus einem anderen Raum, Stockwerk oder sogar außerhalb des Hauses kommt. Zudem dient die Decke dazwischen als Tiefpassfilter, sodass höhere Frequenzen herausgefiltert werden.
Nun haben wir zu dritt festgestellt, ob wir etwas wahrnehmen können. Hierbei war es nicht wichtig, ob wir den Ton hören können oder nur spüren, oder beides. Unser Tontechniker hat dann zu verschiedenen Lautstärken den Ton fürmindestens zehn Sekunden angestellt. Sobald wir den Ton irgendwie registrieren konnten, wurde dies notiert.
Versuchsergebnisse
Ergebnis 1
(Die dB-Werte sind unbewertet und beziehen sich lediglich auf den auf Kopfhöhe gemessenen Grundton von 5 Hz Grundton):
78 dB: keine Wahrnehmung
80 dB: geringste Wahrnehmungen, erste Sekundäreffekte, Flappen im Ohr, etc.
84 dB: deutliches Wummern hörbar
Jetzt hat unser Tontechniker das Signal gepulst, also nur für sehr kurze Zeit angestellt und sofort wieder ausgestellt. Dabei kam Folgendes heraus:
Ergebnis 2
58 dB: keine Wahrnehmung
60 dB: Impulse leicht wahrnehmbar
80 dB: sehr deutlich hörbar
Fazit
Die Wahrnehmungsschwelle liegt also um 20dB auseinander! Sobald dasselbe Signal gepulst wird, wird es um 20 dB leichter wahrnehmbar. Der Kontrast von „Signal an“ zu „Signal aus“ scheint der Grund für die erhöhte Wahrnehmbarkeit zu sein.
Die im Laborexperiment ermittelte Wahrnehmungsschwelle von Infraschall liegt zwischen 90 dB (für 10 Hz) und 120 dB (für 1 Hz). Hier wurde nur exakt der Sinuston ohne Störgeräusche und Obertöne als Stimulus verwendet(https://pudi.lubw.de/detailseite/-/publication/71612).
In unserem Experiment, bei dem die Obertöne mit entstanden sind, liegen wir dann bei 80 dB (für 5 Hz). Pulst man dieses Signal noch, landet man bei 60 dB. Das ist ein Riesenunterschied.
Dies bestätigt das allwährende Problem, dass es einen großen Unterschied zwischen Labor- bzw. Feldexperiment gibt. Die Anwendbarkeit von Laboruntersuchungen muss also immer nochmal extra überprüft werden.
Sicherlich kann unser Experiment und die gewonnenen Erkenntnisse keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeitbeanspruchen, wie dies im Rahmen einer Universitätsstudie der Fall wäre, aber sie geben einen ersten Eindruck und zeigen einen Zusammenhang auf, der bei den Infraschalldiskussionen berücksichtigt werden sollte.