Subjektive und objektive Schallwahrnehmung und wie sie funktioniert
Ein Beitrag von Lukas Frotscher, L.F.N.-Team Freiburg, Mitglied im Arbeitskreis NA 001-01-02-11 AK “Überarbeitung von DIN 45680” des DIN/VDI-Normenausschuss Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik (NALS).
Stellen Sie sich vor, ein Hund bellt und Sie stehen 5 Meter daneben und hören dieses Geräusch. Jetzt kann man das Hundegebell mit einem Schallmessgerät erfassen und damit das physikalische Signal objektiv in Zahlen (Messwerten) wiedergeben.
Das, was Sie davon hören, ist das subjektive-psychische/mentale Hören und kann von dem gemessenen Ergebnis abweichen.Das objektiv messbare Schallereignis nennt man Reiz, während das subjektive Hören Empfindung genannt wird. Die Wissenschaftsdisziplin, die den Zusammenhang zwischen Reiz und Empfindung ermittelt, ist die Wahrnehmungspsychologie. Ist der Reiz physikalisch genau quantifizierbar, spricht man auch von Psychophysik. Um beispielsweise herauszufinden, ab welcher Lautstärke ein Ton noch gehört werden kann, eignet sich folgender Versuchsaufbau:
Der Versuchsaufbau
Eine gewisse Anzahl zufällig ausgewählter, repräsentativer Versuchspersonen wird in ein Labor eingeladen. Dort wird ihnen ein Kopfhörer aufgesetzt, über den verschiedene Geräusche (oft Sinustöne) abgespielt werden können.
Nun werden Töne verschiedener Tonhöhe über diese Kopfhörer abgespielt. Die Töne sind zuerst sehr leise, werden dann aber immer lauter. Die Probanden sollen auf einen Knopf drücken, sobald sie einen Ton wahrnehmen können. Dadurch lässt sich ermitteln, wie laut ein Ton sein muss, um noch gehört werden zu können.
Dieses Verfahren, womit das individuelle Hörvermögen ermittelt wird, kennt man auch vom Ohrenarzt. In diesem Versuchsaufbau wird das gleiche Experiment an vielen, verschiedenen Menschen durchgeführt und aus den Ergebnissen ein Durchschnittswert gebildet. Dadurch lässt sich dann allgemein sagen, was durchschnittlich noch gehört werden kann.Auf diesem Wege wird die Hörschwelle, oft auch Wahrnehmungsschwelle genannt, ermittelt. Da die Hörschwelle von der Frequenz eines Tones abhängt, ergibt sich die links ersichtliche Kurve.
Die Messdaten, die der Hörschwelle zugrunde liegen, sind normalverteilt. Das heißt, es ergibt sich eine Gaußkurve (s. „Graph der Normalverteilung“). Das bedeutet, dass 68,27% der Probanden mit ihrem individuellen Hörvermögen von der allgemeinen Hörschwelle mit einer Genauigkeit von von einer Standardabweichung repräsentiert werden. 95,45% werden mit einer Genauigkeit von zwei Standardabweichungen davon repräsentiert. Dies wiederum heißt, dass nur 4,55% der Bevölkerung um mehr als zwei Standardabweichungen von der Hörschwelle abweichen.
Daraus ergibt sich, dass das Hörvermögen sehr weniger Menschen signifikant besser, beziehungsweise schlechter ist als durch die Hörschwelle dargestellt.
Folgende Links bieten weiterführende Informationen zu diesem Thema:
https://www.scribbr.de/statistik/normalverteilung
https://www.scribbr.de/statistik/standardabweichung
Wie verhält sich das bei Infraschall?
Beim Infraschall liegt die Besonderheit darin, dass er bei normalen Schalldruckpegeln nicht gehört werden kann. Erst bei sehr hohen Schalldruckpegeln lässt sich ein Ton hören. Allerdings gibt es immer wieder Berichte davon, dass man die Auswirkungen des Schalls auch bei geringeren Pegeln spüren kann. Aus dieser Beobachtung geht folgende Differenzierung hervor:
- Hörschwelle (oft Wahrnehmungsschwelle genannt):
Der Ton kann als solcher wahrgenommen werden. - Spürbarkeitsschwelle:
Der Ton kann nicht als solcher wahrgenommen werden, aber die Auswirkungen von Infraschall (wie Druck auf den Ohren oder Kopfweh) können gespürt werden.
Das objektiv sich ereignende Schallereignis, der Reiz, und die subjektive Wahrnehmung desselben, das heißt die Empfindung, können voneinander abweichen. Grund für dieses Phänomen ist das jeweils individuelle Hörvermögen der einem Reiz exponierten Person. Ermittelt man die durchschnittliche Hörschwelle, fällt auf, dass etwa 95% eine vergleichbare Empfindung aufweisen und nur knapp 5% signifikant ober- beziehungsweise unterhalb der durchschnittlichen Hörschwelle liegen. Neben der Hörschwelle, die sich auf akustisch hörbare Reize bezieht, ist im Falle des Infraschalls die Spürbarkeitsschwelle relevant. Sie bezieht sich auf die subjektiv wahrnehmbaren, physischen und mentalen Auswirkungen akustisch nicht wahrnehmbarer Reize.