Auswirkungen von Low Frequency Noise (LFN) und Infraschall
Ein Beitrag von Lukas Frotscher, L.F.N.-Team Freiburg, Mitglied im DIN-Ausschuss NALS, NA 001-01-02-11 Ak “Überarbeitung von DIN 45680”
Die Auswirkungen von herkömmlichem Lärm auf einen selbst, kennt wohl jeder aus eigener Erfahrung. Verbringt man zu viel Zeit in einer lauten Umgebung, wird das für die meisten Menschen mindestens ermüdend sein. Manche werden auch von Kopfweh, Schwindel oder anderen physischen Beeinträchtigungen berichten. Der Einfluss von Lärm und damit einhergehende Beeinträchtigungen auf das Individuum sind bestens belegt. Verschiedene Studien beschäftigen sich diesbezüglich mit höherfrequenten Lärmquellen. Wie sieht das hingegen bei tieffrequenten Lärmquellen aus?
Das menschliche Gehör umfasst in etwa das Frequenzspektrum von 16/21 – 6000/20000 Hz. Am besten hört der Mensch zwischen 500 und 8000 Hz. Frequenzen unter 250 Hz werden als tieffrequent bezeichnet, sog. Low Frequency Noise (LFN). Frequenzen unterhalb des tatsächlich hörbaren Bereichs, also im Bereich von 0,x – 16/21 Hz, werden hingegen als Infraschall bezeichnet.
Baliatsas et al. legen in ihrer Metastudie von 2016 (https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2016.03.065) nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen LFN und selbst berichtetem Genervt-Sein gibt. Gerade wenn prinzipiell vermeidbare Geräusche dauerhaft wahrgenommen werden, entsteht oft Ärger darüber. Gleiches gilt laut dieser Studie für den tieffrequenten Bereich, vor allem bei dauerhafter Belastung.
Liang et al. beschreiben in ihrer Metastudie von 2024 (https://doi.org/10.1186%2Fs12889-023-17593-5), dass es einen Zusammenhang zwischen LFN und Beeinträchtigungen in höheren kognitiven Funktionen gibt. Ein Zusammenhang zwischen LFN und Beeinträchtigungen in basalen kognitiven Funktionen wie der Aufmerksamkeit, der Erinnerungsfähigkeit und exekutiven Funktionen konnte nicht gefunden werden. Die Studie bestätigt, dass auch tieffrequenter Lärm auf Dauer gewisse Effekte haben kann.
Vor diesem Hintergrund lässt sich zusammenfassend festhalten, dass LFN nicht in beliebiger Dosis emittiert werden sollte, wenn daraus Gefahren, erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Allgemeinheit oder Nachbarschaft resultieren.
Die Studienlage zum Thema Infraschall ist dürftiger, da Infraschall definitionsgemäß nicht bewusst wahrgenommen werden kann. Erst ab sehr hohen Schalldruckpegeln ist ein bewusstes Wahrnehmen möglich. Die Wahrnehmungsschwelle liegt etwa für 10 Hz bei 90 dB und für 1 Hz bei 120 dB. Bei solchen Pegeln lassen sich im Laborexperiment auch deutliche Auswirkungen feststellen:
Zitat LUBW (https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/erneuerbare-energien/infraschall):
„Laboruntersuchungen über Einwirkungen durch Infraschall weisen nach, dass hohe Intensitäten oberhalb der Wahrnehmungsschwelle ermüdend und konzentrationsmindernd wirken und die Leistungsfähigkeit beeinflussen können. Die am besten nachgewiesene Reaktion des Körpers ist zunehmende Müdigkeit nach mehrstündiger Exposition. Auch das Gleichgewichtssystem kann beeinträchtigt werden. Manche Versuchspersonen verspürten Unsicherheits- und Angstgefühle, bei anderen war die Atemfrequenz herabgesetzt.“
Wie sehen die Auswirkungen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle aus? Relevant hierfür ist der Bereich des Spürbaren unterhalb der Hörschwelle.
In der Studie von Salt und Hullar von 2010 (https://doi.org/10.1016/j.heares.2010.06.007) wird darauf hingewiesen, dass in diesem Bereich Infraschallereignisse einen Einfluss auf das Gehör haben. So können die äußeren Haarzellen durch Infraschallpegel stimuliert werden, die noch nicht bewusst wahrgenommen werden. Die These, dass Infraschall, der nicht gehört werden kann, keinerlei Einfluss auf die Physiologie des Innenohrs hat, ist inkorrekt. Wahrnehmung unterhalb der Hörschwelle, innerhalb des Spürbarkeitsbereiches ist demzufolge ein zu beobachtendes Phänomen.
Es ist ein allgemein bekanntes Phänomen, dass das wahrnehmbare Geräusch mit zunehmender Entfernung von der Schallquelle immer leiser wird. Dies liegt hauptsächlich daran, dass sich die Schallenergie aufgrund der kugelförmigen Ausbreitung des Schalls nun auf eine größere Fläche verteilt und infolgedessen abnimmt.
Zitat (https://13db.de/wissen/schallpegel-und-distanz/):
„Eine Verdopplung des Abstands zwischen Schallquelle und Messpunkt vermindert den Schallpegel im Freifeld um 6 dB.“
Dies gilt für jede Frequenz, d. h. auch für Infraschall. Abhängig von Temperatur und Luftfeuchtigkeit werden hohe Frequenzen in der Luft zusätzlich noch stärker abgeschwächt als tiefe Frequenzen. Bei 20° C und 70 % Luftfeuchtigkeit werden bei 125 Hz 0,3 dB pro km absorbiert. Dies fällt also nicht stark ins Gewicht und kann in der folgenden Beispielrechnung vernachlässigt werden.
Sind jetzt bspw. im Abstand von 150 m einer Windkraftanlage (WKA) im Durchschnitt 60 dB Infraschall zu messen, dann bedeutet das, dass in 1,2 km Entfernung lediglich 42 dB ankommen.
150 m | 300 m | 600 m | 1,2 km | 2,4 km | 4,8 km |
60 dB | 54 dB | 48 dB | 42 dB | 36 dB | 30 dB |
Der Mindestabstand von Windkraftanlagen zu Wohngebieten beträgt zwischen 750 m und 1250 m.
Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg hat zu diesem Thema einige Messun-gen durchgeführt. Die folgenden Grafiken sind dem Faltblatt des LUBW entnommen: https://pudi.lubw.de/detailseite/-/publication/71612
Im Abstand von 150 m sieht man einen deutlichen Unterschied zwischen dem Hinter-grundgeräusch und dem Gesamtgeräusch (Hintergrundgeräusch plus WKA-Geräusch). Die Differenz der beiden Kurven stellt also das WKA-Geräusch dar. Das heißt, hier kann der emittierte Infraschall der WKA klar von den Hintergrundgeräuschen (wie z. B. Wind) unter-schieden werden. Besonders interessant ist das sägezahnartige Muster unterhalb von 8 Hz, welches durch die gleichförmige Bewegung der Rotorblätter entsteht, die sich als Grundschwingung mit Oberwellen zeigt.
Führt man dieselbe Messung im Abstand von 700 m durch, liegen die beiden Kurven auf-einander. Das heißt, beim Einschalten der Anlage erhöhte sich der gemessene Infraschall-pegel nur noch marginal.
Wichtig hierbei anzumerken ist, dass die Pegel über die Zeit gemittelt werden. Windgeräusche sind zufällige, sehr stark schwankende Geräusche, während WKAs periodisch wiederkehrende, impulshafte Töne produzieren. Dieser Unterschied geht durch die Mittelung über die Zeit verloren.
Diese Beispiele mit WKAs wurden angefügt, da diese häufig im Zusammenhang mit Infraschall erwähnt werden. Sie gehören nicht, wie oft behauptet, zu den stärksten Emittenten von Infraschall, sondern reihen sich ein in eine lange Liste natürlich sowie künstlich vorkommender Infraschallquellen wie Wind, aber auch Straßenverkehr und Haushaltsgeräte. Beispielsweise sind die gemessenen tieffrequenten Geräusche im Straßenverkehr signifikant lauter als die in der Umgebung von Windkraftanlagen:
Ab welchen genauen Werten auftretende Effekte mit einer Schallquelle gesichert in Verbindung gebracht werden können, lässt sich nicht allgemein sagen. Zum einen geht es bei der Schallwahrnehmung um die Beschaffenheit des Schallereignisses als solches, d. h. Lautstärke und Frequenz am Ort der Schallerzeugung, zum anderen um die topographische Dimension in Bezug auf den Rezipienten, d. h. in welcher Entfernung von der Schallquelle das Schallereignis wahrgenommen wird. Auch physikalische Einflüsse (z. B. Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Windeinwirkung) auf Schallereignisse können eine Rolle spielen. Vor dem Hintergrund, dass Schallpegel und Auswirkung in Verhältnismäßigkeit zueinanderstehen, kann man jedoch Folgendes festhalten: Effekte sind äquivalent zur Qualität des Ereignisses zu erwarten. Bei geringen Pegeln sind demnach geringe Effekte zu erwarten, wobei sehr laute Pegel deutlich höhere Beeinträchtigungen zur Folge haben können.
Voraussetzung zur Verortung schallbasierter Effekte ist, dass die Schallpegel messbar und von Hintergrundgeräuschen unterscheidbar sind. Verschiedene Schallquellen (Luftwärmepumpenanlagen, Windkraftanlagen, etc.) haben zumeist charakteristische „Schallabdrücke“, d. h. die von ihnen ausgelösten Schallereignisse können aufgrund ihrer messtechnisch erfassbaren, physikalischen Qualität zugeordnet werden. Die messtechnische Erfassung im Kontext schallbasierter Auswirkungen stellt dabei einen ersten Schritt zur Verortung der Effektursache dar.